Fall:

Vater V schenkt seinem minderjährigen Sohn S, mit Einwilligung der Ehefrau M, einen Miteigentumsanteil einer Eigentumswohnung. In dem entsprechenden notariellen Vertrag über die Schenkung erklärten V und M als Vertreter des S auch ihre Einigung über den Rechtsübergang.
Ist ein wirksamer Schenkungsvertrag zustande gekommen?
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  1. Einigung

    Eine Einigung mit dem Inhalt eines Schenkungsvertrages iSd BGB zwischen V auf der einen Seite und S, vertreten durch V auf der anderen Seite liegt vor.

  2. Wirksame Vertretung

    Zweifelhaft ist, ob V den S beim Abschluß des Schenkungsvertrages wirksam vertreten hat. Er hat eine eigene WE im fremden Namen abgegeben. Allerdings müßte er mit Vertretungsmacht gehandelt haben.

    1. Die Vertretungsmacht des V, der mit Zustimmung seiner Ehefrau gehandelt hat, ergibt sich grds aus § 1629 I.

    2. In diesem Fall könnte er jedoch von der Vertretung gem. § 1629 II iVm § 1795 ausgeschlossen gewesen sein. Danach können Vater und Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als auch ein Vormund von der Vertretung ausgeschlossen ist.


      Exkurs:

      § 181 ist nicht anzuwenden, wenn die Schenkung lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Wann allerdings ein Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist, wird unterschiedlich beantwortet.


      1. Wirtschaftliche Betrachtungsweise (Stürner AcP 173, 402, 421, Larenz § 6 III 1)

        Nicht zustimmungsbedürftig sind solche Nachteile, die nur eine Minderung des Vorteils darstellen und für das sonstige Vermögen (oder den künftigen Erwerb) des Minderjährigen ungefährlich sind.
        Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des § 107. Das Gesetz stellt ausdrücklich auf das formale Kriterium des "rechtlichen" Vorteils und nicht auf den wirtschaftlichen Vorteil ab.

      2. Sorgerechtliche Betrachtungsweise (Köhler JZ 1983, 225, 230)

        Ein Rechtsgeschäft ist dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn nach Art und Umfang der damit verbundenen Nachteile eine Kontrolle durch den gesetzlichen Vertreter geboten ist.
        Diese Ansicht ist abzulehnen, da die auf den Normzweck gerichtete Interpretaion zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt, und somit gerade mit den wesentlichen Grundgedanken des Minderjährigenrecht nicht zu vereinbaren ist.

      3. Herrschende Meinung (MüKo-Gitter, § 107 Rn 3 ff mwN)

        Lediglich rechtlich vorteilhaft sind nur Zuwendungen oder Rechtsgeschäfte, welche die Rechtsstellung des Minderjährigen lediglich verbessern. Ein rechtlicher Nachteil ist demgegenüber dann gegeben, wenn den Minderjährigen irgendwelche Verpflichtungen treffen, seien sie nun Haupt- oder Nebenpflichten des fraglichen Geschäfts. Außer Betracht bleiben nur mittelbare Rechtsnachteile wie Vertragskosten, die Polizeipflichtigkeit der Sache oder öffentliche Abgaben.

      Für sich genommen ist die Schenkung hier lediglich rechtlich vorteilhaft, denn S erwirbt dadurch unentgeltlich einen Anspruch, ohne daß der Vertragspartner einen Anspruch auf eine Leistung des S hat. Da die Schenkung aber zur Übereignung führt, ist fraglich, ob bei der Prüfung rechtlicher Nachteile nicht auch das Verfügungsgeschäft zu berücksichtigen ist. Grds sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft rechtlich getrennt voneinander zu betrachten. Danach ergäbe sich:

      Deshalb ist nach hM (BGHZ 78, 28, 34, 35) bei einer Schenkung in einer Gesamtbetrachtung zu prüfen, ob schuldrechtliches und dingliches Geschäft für den beschränkt Geschräftsfähigen lediglich rechtlich vorteilhaft sind.

      Nach der Lit. (Jauerning JuS 1982, 576) verstößt die Gesamtbetrachtung der Rspr gegen das Abstraktionsprinzip.Nach dieser Ansicht ist der Schenkungsvertrag wirksam, wobei § 181 letzter HS für dingliche Geschäfte dann nicht gelten soll, wenn sie für den Minderjährigen nachteilig sind. Es ist also nicht schon bei Abschluß des Schenkungsvertrages, sondern erst bei der Auflassung ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

      Die Literaturmeinung führt zu Ergebnissen, die den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht werden. Der Notar müßte einen Schenkungsvertrag beurkunden, ohne daß er weiß, ob dieser durchgeführt werden kann.

      Im übrigen stellt die hM auch keinen Verstoß gegen das Abstraktionsprinzip dar, denn es handelt sich nicht um eine rechtliche Verknüpfung von schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft, sondern um eine wertende Betrachtung.

    1. Damit konnte der V seinen Sohn bei Abschluß des Schenkungsvertrages nicht wirksam vertreten, wenn sich aus der Gesamtbetrachtung rechtliche Nachteile für den Sohn ergeben. Rechtsfolge der §§ 1629 II, 1795 II, 181 ist, daß das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam ist. Es kann also noch ein Ergänzungspfleger (§ 1909) bestellt werden, der die Schenkung genehmigen kann.

  1. Ergebnis:
    Ein wirksamer Schenkungsvertrag liegt nicht vor.