Pflichtverletzungen im allgemeinen Schuldrecht


  1. Arten der Pflichtverletzung im neuen Schuldrecht

Das neue Schuldrecht unterscheidet danach, welches Rechtsgut des anderen Vertragsteils auf welche Weise beeinträchtigt wird:

  1. Die pflichtwidrige Verzögerung der Leistung

  2. Die pflichtwidrige Schlechtleistung

  3. Die pflichtwidrige Unmöglichkeit der Leistung (nebst gleichgestellten Leistungshindernissen)

  4. Die pflichtwidrige Verletzung solcher Rechtsgüter, der der andere Vertragsteil unabhängig von dem Schuldverhältnis besitzt.


  1. Begriff der Pflichtverletzung

Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn sich der Schuldner anders verhält, als es seinen Pflichten aus dem Vertrag oder dem vorvertraglichen Schuldverhältnis entspricht. Gemeint ist das objektive Abweichen vom Pflichtenkatalog des Schuldners. Ob dem Schuldner die Nichteinhaltung einer Pflicht persönlich vorzuwerfen ist, betrifft das Verschulden und besitzt für die Feststellung einer Pflichtverletzung keinerlei Bedeutung. Pflichtverletzung und Verschulden sind strikt zu trennen.


  1. Vorgehensweise des Gläubigers bei Pflichtverletzung des Schuldners

Verletzt eine Vertragspartei eine vertragliche oder vorvertragliche Pflicht, kann die andere Vertragspartei unterschiedliche Ziele verfolgen.

  1. Der Gläubiger kann (trotz der Pflichtverletzung) weiterhin daran interessiert sein, die Leistung zu fordern, die ihm der Schuldner in dem Vertrag versprochen hat.
    In diesem Fall kann er - neben seinem Erfüllungsanspruch - den Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens geltend machen, den er durch die Pflichtverletzung erlitten hat und der die Leistung des Schuldners nicht erübrigt. Er kann also Ersatz der Integritätsschäden oder der Verzögerungsschäden verlangen.

  2. Wenn der Gläubiger (wegen der Pflichtverletzung) nicht mehr daran interessiert ist, vom Schuldner die Leistung zu erhalten, so kann er

  3. Bei bestimmten Pflichtverletzungen entfällt seine Verpflichtung zur Gegenleistung, ohne dass ein Rücktritt erforderlich wäre.

  1. § 280 I BGB als einheitliche Anspruchsgrundlage

Die Gesetzgeber planten, mit dem § 280 I BGB eine einheitliche Anspruchsgrundlage zu schaffen, die für den Ersatz sämtlicher Schäden bei jedem Typ von Pflichtverletzung in einem Schuldverhältnis gelten solle.
Alle anderen Schadensersatzregelungen sollten lediglich die Funktion haben, den einheitlichen Haftungstatbestand bei bestimmten Pflichtverletzungen um zusätzliche Voraussetzungen zu ergänzen.
Deshalb - so die Gesetzesverfasser - stellten die §§ 280 II, 281, 282 und 283 BGB keine eigenständigen Anspruchsgrundlagen dar, sondern Unterfälle des § 280 I BGB.

§ 280 I BGB gewährt ganz allgemein Schadensersatz bei Pflichtverletzungen, vorausgesetzt, den Schuldner trifft ein Verschulden.

Beruht der Schaden auf einer zeitlichen Verzögerung der Leistung, kann der Gläubiger Ersatz nur nach § 280 II BGB (iVm § 280 I BGB) verlangen.

Eine Gruppe weiterer Normen gewährt Schadensersatz statt der Leistung:

  1. § 281 BGB (iVm § 280 I BGB) für den Nichterfüllungsschaden bei Verzögerung und Schlechtleistung

  2. § 282 BGB (iVm § 280 I BGB) für den Nichterfüllungsschaden bei Verletzung von Schutzpflichten

  3. § 283 BGB (iVm § 280 I BGB) für den Nichterfüllungsschaden bei nachträglichem Leistungshindernis

  4. § 311a II BGB für den Nichterfüllungsschaden bei anfänglichem Leistungshindernis, wobei es sich allerdings um eine eigene Anspruchsgrundlage handelt.